Der Agenturmarkt in Deutschland ist groß, und die damit verbundene Auswahlmöglichkeit für Unternehmen und ihre Marketingabteilungen ist enorm breit. Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass die Faktoren Unternehmenskultur und Kooperationsbereitschaft oft unterschätzt werden, aber entscheidende Faktoren sind. Bei einer langfristigen Zusammenarbeit ist es besonders wichtig, dass die Agentur und das Unternehmen auf einer persönlichen Ebene gut zusammenpassen. Doch welches Agenturmodell passt dabei am ehesten zu welchem Unternehmen? Ist es der Komplettanbieter oder doch eher der Spezialist? Sicher ist, dass es keine pauschale Antwort auf diese Frage gibt. Die Auswahl oder die strategische Ausrichtung, in welcher Form Etats an welche Agenturen vergeben werden, hängt nämlich auch stark von dem Konstrukt, der Aufstellung und der strategischen Ausrichtung der Marketingabteilungen eines jeden Unternehmens ab.

In diesem Beitrag soll der Fokus vor allem auf mittelständische Unternehmen gelegt werden und darauf, welche Indikatoren bei einer Auswahl beachtet werden sollten. Bevor diese Indikatoren allerdings benannt werden, möchten wir kurz noch einmal darauf eingehen, was unter Komplettanbieter und Spezialist definiert wird und welche Vor- und Nachteile diese beiden Modelle mit sich bringen.
Wenn von Komplettanbietern gesprochen wird, handelt es sich meistens um die großen Netzwerkagenturen. Sie bilden in der Regel eine Plattform aus vielen verschiedenen Agenturmarken mit verschiedensten Expertisen und Dienstleistungen. Dadurch decken die Komplettanbieter nicht nur sämtliche Services ab, sondern können für ihre Kunden auch die gesamte Agenturkoordination (auch länderübergreifend) – im Gegensatz zu der Auswahl spezialisierter Agenturen – übernehmen. Spezialisten decken im Gegensatz zu den Komplettanbietern nämlich nicht alle Services ab und besitzen oft auch nicht das länderübergreifende Netzwerk, was dazu führt, dass der Kunde (das Unternehmen) bei der Zusammenstellung eines Agentur-Set-Ups – bestehend aus Spezialisten – selbst einen deutlich höheren administrativen Aufwand hat, um diese vielen unterschiedlichen Agenturen zu koordinieren.
Aber die Spezialisten bringen auch viele Vorteile mit sich. Fernab davon, dass sie im Durchschnitt deutlich günstiger sind als Komplettanbieter, hat man als mittelständisches Unternehmen auch eine höhere Relevanz als Kunde für die Agentur. Eine Netzwerkagentur, deren Kundenstamm in der Regel aus riesigen multinationalen Unternehmen besteht, wird einem mittelständischen Unternehmen mit seinem, für Netzwerkagenturen, kleineren Budget nicht die gleiche Wichtigkeit zukommen lassen wie einer kleinen, lokalen, spezialisierten Agentur. Inhaltlich sind Spezialisten in ihren Aufgabenfeldern außerdem oft deutlich innovativer unterwegs als große Netzwerke. Fokussiert auf ihren spezialisierten Themenbereich, ist Innovation, um am Puls der Zeit zu bleiben, für sie existenziell wichtig. Sie rechtfertigt nämlich oft ihre Daseinsberechtigung im Markt.
Doch wie trifft man jetzt als mittelständisches Unternehmen die richtige Auswahl, um einen Verbund starker Partner an seiner Seite zu wissen, die auch wirklich zur Unternehmensphilosophie, strategischen Ausrichtung und den Notwendigkeiten des Unternehmens passen?
Die Antwort darauf kann – wie bereits eingangs geschrieben – nicht pauschalisiert werden. Dafür ist der Mittelstand in Deutschland viel zu breit aufgestellt. So wird der Mittelstand auf der einen Seite über die Umsatzspanne definiert und auf der anderen Seite über die Mitarbeiteranzahl. Ob qualitativ oder quantitativ, obliegt deshalb jedem Unternehmen selbst zu entscheiden, ob es sich angesprochen fühlt.
Was das Auswahlverfahren für den Verbund von Agenturpartnern betrifft, gibt es allerdings Indikatoren, die jedem Unternehmen dabei helfen können, die potenziellen Agenturen für sich zu identifizieren. Egal ob qualitativer oder quantitativer Mittelstand. Einige dieser Indikatoren haben wir hier einmal zusammengefasst.
Die erste Frage, die sich jedes Unternehmen für sich selbst stellen sollte, ist, welche liquiden Mittel dem Unternehmen als Agenturhonorar und als Mediabudget zur Verfügung stehen. Diese Information kann den Kreis einer Shortlist für ein Unternehmen bereits stark eingrenzen. Auch wenn die Raten von Agenturen nicht öffentlich bekannt sind, kann man so bereits ein erstes Gefühl dafür entwickeln, welche Agenturen preislich ausgeschlossen sind. Vor allem, weil viele Agenturen heutzutage unterschiedlichste Vergütungsmodelle anbieten. Zum Beispiel auf Stundenbasis, projektbasierte Honorare oder performance-basierte Vergütungsmodelle. Modelle, die eine klare, transparente und flexible Preis- sowie Vertragsgestaltung bieten und für mittelständische Unternehmen, welche oftmals mit budgetären Schwankungen zu kämpfen haben, enorme Vorteile sein können. Hier gilt es, eine starke Selbstreflexion an den Tag zu legen. Denn egal, wie verlockend der Komplettanbieter aufgrund seiner Möglichkeiten ist, heißt es noch lange nicht, dass dieser auch notwendig ist. Denn höhere Kosten bedeuten auch weniger Leistung für das Geld.
Weitere Fragen, die man sich stellen sollte, sind, wie man eigentlich selbst aufgestellt ist und welche eigenen Kapazitäten man als Unternehmen mitbringt. Jeder Marketingleiter hat Visionen, und das ist auch gut so, da diese der Motor für die Weiterentwicklung sind. Sie festigen den Glauben an die Sache und verkörpern die Ziele, die man sich vornimmt, um das Unternehmen nach vorne zu bringen. Viele Visionen benötigen aber auch die notwendigen Mitarbeiter:innen in den eigenen Reihen. Denn die Wertschöpfungskette ist ein Zusammenspiel von Kunde und Agentur. Hat ein Unternehmen nicht die notwendigen Ressourcen oder Expertisen in den eigenen Reihen, wirkt sich das erheblich auf die Qualität der angestrebten Marketingmaßnahmen aus und man ist am Ende vielleicht gezwungen, zusätzliche Arbeit an eine Agentur auszulagern, womit auch wieder mehr Kosten entstehen. Ausführlicher behandeln wir dieses Thema aber auch nochmal in einem späteren Beitrag „Insourcing vs. Outsourcing“.
Sollte man also darüber nachdenken, ein neues Marketingfeld zu aktivieren, sollte sichergestellt werden, dass auch die Spezialisten auf der eigenen Seite stehen. Als Beispiel: Bei der Beauftragung einer spezialisierten Agentur für CRM sollten auch CRM-Manager in den eigenen Reihen vorhanden sein. Vorher ist von der Aktivierung, auch gemessen an dem Budget, abzuraten.
Womit wir auch eine direkte Überleitung zu den nächsten Punkten haben, mit denen sich jedes Unternehmen auseinandersetzen sollte: der inhaltlichen Marketingstrategie, der Branchenerfahrung und der technologischen Expertise. Jedes Unternehmen sollte nach Agenturen suchen, welche sich mit den aktiven Touchpoints/Channels auskennen, aber gleichzeitig auch das Branchen-Know-how sowie die technologische Expertise dafür mitbringen. Nur so kann auch wirklich sichergestellt werden, dass man diese gemeinsam nachhaltig ausbaut und weiterentwickelt. Gerade die technologische Expertise ist in der heutigen Marketingwelt ein entscheidender Faktor. Je nach Bereich kann es sinnvoll sein, auf eine Agentur zu setzen, die mit modernen Marketingtools, Datenanalyse- und Automatisierungstechnologien vertraut ist. Es lässt sich sehr schnell erkennen, ob eine Agentur in der Lage ist, klare KPIs (Key Performance Indicators) zu definieren und regelmäßig über den Erfolg der Maßnahmen zu berichten. Gerade für mittelständische Unternehmen, die möglicherweise noch nicht mit sämtlichen digitalen Tools oder Plattformen ausgestattet sind, könnte so eine Agentur ein absoluter Mehrwert sein. Punkte, die oftmals zu Komplettanbietern tendieren, die aufgrund ihrer Größe, dem Netzwerk und dem vorhandenen Budget stärker in Entwicklung investieren können. Bei einem Spezialisten besteht die Gefahr, dass er zwar erkennt, dass eine Entwicklung notwendig ist, aber einfach nicht die finanziellen Mittel dafür hat, um sie in die Praxis umzusetzen und so auch nicht die Erfahrung aufbauen kann.
Entscheidend bei der Eingrenzung der Agenturen ist außerdem das Thema Innovation. Der auserwählte Partner sollte nicht nur reagieren, sondern auch proaktiv neue Ideen und Trends ins Spiel bringen. Was natürlich erfordert, dass das eigene Team und die Marketingleitung dafür empfänglich sind. Dafür könnte wieder alles für den Spezialisten sprechen, welcher sich auf seinem Themengebiet immer mit den neuesten Trends auseinandersetzt.
Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Marktpräsenz. Ein global agierendes Unternehmen, das in vielen Ländermärkten tätig ist, benötigt einen Agenturpartner auf Augenhöhe, einen Partner, der die Komplexität auf der internationalen Bühne versteht. Damit sind Spezialisten nicht ausgeschlossen, allerdings liegt es nahe, ein Schwergewicht wie eine Netzwerkagentur in die engere Auswahl zu nehmen. Bei Bedarf können Spezialisten für einzelne Märkte immer noch in Betracht gezogen werden. In vielen Fällen könnte eine Kombination aus beiden Modellen auch sinnvoll sein, etwa indem ein Komplettanbieter die übergeordnete Strategie übernimmt und Spezialisten für spezifische, tief gehende Bereiche hinzugezogen werden.
Es gibt viele weitere Faktoren, die Unternehmen in diesem Zusammenhang einer Analyse mit einbeziehen können und sollten. Die Quintessenz dieses Beitrags soll es auch nur sein, dem Ganzen einen Denkanstoß zu geben und aufzuzeigen, dass die Auswahl der richtigen Agenturpartner ein komplexes Unterfangen ist und Unternehmen sich gründlich Zeit nehmen sollten, eine Auswahl zu treffen. Im Idealfall zieht man einen neutralen/unabhängigen Marketingberater dazu, der den Prozess von Beginn an begleitet.